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Bisher werden Autoimmunkrankheiten mit Medikamenten behandelt, die das gesamte Immunsystem blockieren und so den Körper extrem anfällig machen für Infektionen aller Art. Ein Konstanzer Forscherteam um den Immunologen Prof. Marcus Groettrup hat jetzt eine Behandlungsmethode entwickelt, die das Immunsystem nur in Teilen drosselt und somit deutlich besser verträglich ist. Prof. Marcus Groettrup gab dazu ein Interview!

Funktioniert das Immunsystem einwandfrei, zeigt es Viren die rote Karte und der Körper startet die Immunabwehr. Liegt eine Autoimmunkrankheit vor – zu den häufigsten gehören rheumatoide Arthritis, Typ-1 Diabetes mellitus, Multiple Sklerose und Morbus Crohn, eine entzündliche Dickdarmerkrankung – ist das Immunsystem gestört. Es wird hyperaktiv und greift körpereigene, gesunde Zellen an. Schwere Entzündungen sind die Folge.

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Menschen, die unter einer Autoimmunkrankheit leiden, müssen ein Leben lang so genannte Immunsupressiva einnehmen. Sie drosseln das Immunsystem, treten radikal auf die Bremse: „Gut gegen die Autoimmunkrankheiten, insgesamt häufig problematisch für den Patienten. Denn wenn unser Immunsystem komplett auf Sparflamme gefahren wird, dann kann es auch gegen andere Eindringlinge nicht mehr richtig wirksam sein“, so der Immunologe Prof. Marcus Groettrup.

Interview mit Prof. Marcus Groettrup

Prof. Groettrup, wie kamen Sie zu Ihrem aktuellen Forschungsgebiet, der Wirkweise des Immunproteasoms und der Behandlung von Autoimmunerkrankungen?

Wir haben schon seit vielen Jahren auf dem Gebiet der Immunproteasomen gearbeitet, allerdings haben wir eine andere Funktion dieses Komplexes bei der Antigenprozessierung untersucht. Als wir genetisch veränderte Mäuse untersucht haben, denen einzelne Komponenten des Immunproteasoms fehlen, haben wir entdeckt, dass T-Lymphozyten Immunproteasom brauchen, wenn sie in einer durch einen Virus infizierten Maus überleben wollen. Durch diese neue, unerwartete Funktion des Immunproteasoms kam uns die Idee, die pharmakologische Hemmung des Immunproteasoms auszunutzen, um überschießende Immunantworten zu regulieren, wie dies bei der Behandlung von autoimmunen Erkrankungen erforderlich ist.

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In Ihrer Forschungsarbeit stecken zahlreiche neue Erkenntnisse. Welche haben Sie am meisten überrascht und welche sind die Meilensteine?

Die erste Überraschung erlebten wir, als wir T-Lymphozyten, denen Gene des Immunproteasoms fehlen, in virusinfizierte Mäuse injiziert haben und diese in der behandelten Maus nicht mehr wiederfanden. Erst dachten wir, da ist beim Experiment etwas schief gelaufen. Als die Wiederholung das gleiche Resultat brachte, wurde uns klar, dass wir auf etwas Interessantes gestoßen waren.


Verblüffend war auch, wie wirkungsvoll der LMP7 Inhibitor (PR-957) autoimmune Erkrankungen in gleich mehreren Mausmodellen bekämpfen konnte. Zudem zeigte die Untersuchung von Blutzellen von Rheumapatienten, dass die Behandlung der Zellen mit dem LMP7 Inhibitor die Produktion gleich mehrerer entzündungsfördernder Botenstoffe (Zytokine) verhinderte. Das war die dritte, ausgesprochen positive Überraschung.

Wie sind Ihre Forschungsergebnisse im Gesamtkontext der Erforschung autoimmuner Therapien zu bewerten?

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Wir haben einen neuen Mechanismus gefunden, wie das Immunsystem die Produktion von entzündungsfördernden Zytokinen reguliert. Da gleich mehrere dieser Zytokine durch die Hemmung des Immunproteasoms unterdrückt werden, scheint die Therapie effektiver zu sein als bisher angewandte Methoden. Zumindest in der Maus konnten wir trotz dieser hohen Wirksamkeit keine Nebenwirkungen und eine sehr gute Verträglichkeit feststellen, die bei konventionellen Behandlungsmethoden, etwa mit Kortison oder Zytostatika nicht in dem Maße gegeben ist.

Forschungsarbeit erstreckt sich meist über Jahre. Wie lange wird es dauern, bis verlässliche Ergebnisse am Menschen vorliegen?

Ich schätze, dass dies noch zwei bis vier Jahre dauern wird, dann werden wir wissen, ob die Wirksamkeit und gute Verträglichkeit auch beim Menschen gewährleistet ist.

Sie arbeiten an der Universität Konstanz, der jüngsten Eliteuni Deutschlands. Wie profitieren Sie von dieser Auszeichnung?

Für unsere Arbeiten konnten wir aus Mitteln der Exzellenzinititative ein sehr leistungsstarkes Durchflusszytometer mit drei Lasern kaufen, das wir ohne die Gerätemittel der Exzellenzinititaive nicht oder nur in vielen Jahren hätten beschaffen können. Ohne dieses Gerät wäre unsere Arbeit nicht zu realisieren gewesen. Dank des neuen Exzellenzstatus der Universität Konstanz bekommen wir noch bessere und noch häufiger fantastische Initiativbewerbungen von sehr guten Wissenschaftlern aus dem In- und Ausland. Von der Graduiertenschule Chemische Biologie, die Konstanz im Rahmen der Exzellenzinitiative eingeworben hat, wurde ein Stipendium für einen hochbegabten Studenten aus Indien gewährt. Dieser Student – er heißt Khalid Kalim – hat ein wichtiges Experiment zu unserer neuen Publikation in Nature Medicine beigetragen.

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