Migrantenmedizin
Entlang eines Projektes mit dem Ziel die Situation der ausländischen Patienten und deren Familienangehörigen im Krankenhaus nachhaltig zu verbessern, wird erkennbar gemacht, auf welche Weise es gelingen kann einen Praxistransfer herzustellen.
Dazu führte der Experte Dr. Wolfgang George ein exklusives Interview mit dem Präsident der Türkisch-Deutschen Gesundheitsstiftung Herrn Dr. Bilgin:
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| Dr. Bilgin
Präsident der Türkisch-Deutschen Gesundheitsstiftung |
Dr. George
Redaktion "Patient & Kunde" |
Wie würden Sie zusammengefasst die gesundheitliche Versorgung Ihrer türkischen Landsleute in Deutschland beschreiben?
Bilgin: Für türkeistämmige Migranten bestehen die gleichen Zugangsrechte zum Gesundheitssystem, jedoch ist die Inanspruchnahme nicht klientenorientiert und somit findet die gesundheitliche Versorgung von Migranten nicht im gleichen Masse statt, wie die deutscher Patienten. Dies betrifft im Besonderen auch die Präventivmaßnahmen. Um hier entgegen zu wirken müßten kultursensible Aspekte und Empathie mehr Beachtung finden und den vorhandenen Sprachdefiziten durch die Bereitstellung von bilingualen Personal entgegen gewirkt werden.
Was gelingt gut / hat sich in den letzten Jahren zusehend verbessert?
Bilgin: Es hat eine zunehmende Diskussion über die Problematik in Fachkreisen eingesetzt. Damit verbunden wird die defizitäre Lage wahrgenommen und einzelne Untersuchung zum momentanen Ist-Zustand wurden begonnen.
Was gelingt nur unzureichend / sollte verbessert werden?
Bilgin: Momentan werden nur vereinzelt Einzelmaßnahmen umgesetzt, so dass kaum ein Effekt zur Verbesserung der Situation zur verzeichnen ist. Maßnahmen wie die Migrantenambulanz an der Med. Poliklinik der Universitätskliniken der JLU Giessen und kultursensible Schulung von medizinischen Fachpersonal müßten in grösseren Rahmen und bundesweit umgesetzt werden.
{mosaddphp:content_ad1.php}Welche Bedeutung könnten regionale klinische Versorgungsschwerpunkte für Migranten besitzen, ist solch eine Fokussierung hilfreich?
Bilgin: Ja, da die Anzahl von Migranten in Ballungsgebiete überdurchschnittlich hoch ist, kann man durch regionale Maßnahmen diese sehr effektiv und nachhaltig erreichen und so eine gute Resonanz erzielen.
Welche Empfehlungen würden Sie türkischen Patienten mit auf den Weg geben wenn Sie als Patient in das Krankenhaus müssen?
Bilgin: Ich würde raten, vor der Einweisung oder dem Besuch eines Krankenhauses nachzufragen, ob bilinguales Personal vorhanden ist oder das Krankenhaus über bestimmte Angebote für Migranten verfügt, wie beispielsweise bilinguale Fachsprechstunden oder Übersetzer, denen man sich bedienen kann. Nach diesen Kriterien würde ich unter anderen die Auswahl eines geeigneten Krankenhauses treffen.
Wo sehen Sie den zukünftigen Schwerpunkt der TDG-Stiftung?
Bilgin: Flächendecken Angebote für Migranten anzubieten und die Schulung von Fachpersonal in kultursensiblen Aspekten weiter ausbreiten und vorantreiben.
Welche Empfehlung würden Sie an die Verantwortlichen in der Politik formulieren?
Bilgin: Die Politik muß nicht nur bedarfsorientiert agieren, sondern auch bedarfs- und klientenorientiert fördern. Kultursensible Aspekte sollten bei Entscheidungen immer mitberücksichtigt werden und Niederlassungsgenehmigungen für bilinguale Ärzte sollten vermehrt ausgestellt werden.
Was würden Sie den Krankenhausverantwortlichen raten?
Bilgin: Die Entscheidungen sollten durchweg patientenorientiert getroffen werden. Dabei sind kultursensible Aspekte zu beachten und geeignetes Fachpersonal einzustellen. Durch gezielte Fortbildungen und die Aufnahmen von Kultursensitivität in Pflege, Prävention, Therapie und Diagnostik werden nicht nur Defizite aufgearbeitet, sondern dem Krankenhaus erwächst auch ein Wettbewerbsvorteil gegenüber anderern Kliniken, die dies nicht beachten.
Welche Unterstützung würden Sie sich in Ihrer Arbeit wünschen?
Bilgin: Ich wünsche mir mehr Möglichkeiten der Mitgestaltung und Mitbestimmung in den Gremien von Krankenhäusern und LVAs. Die Bedürfnisse der Patienten und Angehörigen sollten nicht nur gehört werden, sondern auch Umsetzung finden und so ein ganzheitliches Konzept der Therapie, Diagnostik und Pflege ermöglichen.

