Die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie (DGCh) fürchtet um die Qualität der Krankenversorgung, die Weiterbildung und die Forschung. Als maßgebliche Ursache wird das Arbeitszeitgesetz, das bis zum 01.01.2006 umgesetzt werden muss, identifiziert.
Das neue Arbeitszeitgesetz erlaubt es den Ärzten nicht länger, eine Maximalarbeitszeit zu überschreiten, heißt es in der Pressemitteilung.
Ist das nicht genau das, was die Ärzte wollten?
So kommt auch der Marburger Bund zu dem Schluss, dass das neue Arbeitszeitgesetz der Schlüssel zur Abschaffung der unsäglichen Marathon-Dienste und zur Verbesserung der ärztlichen Arbeitsbedingungen ist. Der mb-Vorsitzende Montgomery verwies auf eine aktuelle Studie der Universität Harvard, die belege, dass die Zahl gravierender Behandlungsfehler bei Diensten über 24 Stunden um 36 Prozent höher sei als bei kürzeren Arbeitszeiten.
Woher kommt dann der Unmut in der Ärzteschaft? Offensichtlich merken die Ärzte erst jetzt was das neue Arbeitszeitgesetzt für sie bedeutet: nämlich weniger Geld!
Im Gesetz heißt es: eine wöchentliche Arbeitszeit von 48 Stunden darf nicht überschritten werden. Zu dieser Arbeitszeit zählen alle Arbeitszeiten, d. h. Regelarbeitszeit + Bereitschaftsdienst + Nebentätigkeiten. Wenn nun der Bereitschaftsdienst zu 100 % als Arbeitszeit angerechnet wird, bedeutet dies: Die Stundenzahl ist schneller erreicht. Es können weniger Dienste geleistet werden und Nebentätigkeiten dürfen vom Arbeitnehmer nicht mehr genehmigt werden, wenn die maximale Stundenzahl erreicht wurde. Mancher Arzt denkt sich nun, was interessiert mich das. Ich will aber mehr arbeiten, denn schließlich brauche ich das Geld um mein Häuschen abzuzahlen und meine Familie zu ernähren.
Die Ärzte trifft die Umstellung besonders hart, denn Bereitschaftsdienste der Stufe D und Nebentätigkeiten wie Gutachtertätigkeit, Notarztwagen, Ermächtigungen etc., waren seit Langem integraler Bestandteil ihres Gehaltes und die Anzahl der Bereitschaftsdienste wurde seit den 70-iger Jahren als Vertragsbestandteil integriert, um den Ärzten ein höheres Einkommen zu gewährleisten.
Das Arbeitszeitgesetzt ist ein Zwangsgesetz, d.h der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer schützen, ob der Arbeitnehmer dies will oder nicht.
Und die Krankenhäuser sollten auch alles dransetzen die neuen Bestimmungen fristgerecht umzusetzen, drohen doch empfindliche Bestrafungen bis hin zu mehrjährigen Haftstrafen, bei der Verletzung des Arbeitsschutzgesetzes. Welcher Verwaltungsdirektor oder Cheafarzt geht schon gerne in den Knast, nur damit seine Mitarbeiter weiterhin ein zusätzliches Einkommen realisieren können?
Also lautet das harte –aber eigentlich logische - Fazit: Weniger Arbeit = Weniger Geld auf dem Konto.
Hier schreit der Marburger Bund laut auf und fordert 30 % mehr Gehalt für seine Mitglieder. Diese Gehaltserhöhung wäre den Ärzten natürlich zu gönnen, denn wer möchte nicht von einem motivierten und zufriedenen Arzt behandelt werden.
Aber woher soll dieses Geld angesichts der derzeitigen Haushaltslage des Bundes und der Länder kommen? Sollen die Krankenkassenbeiträge erhöht werden? Die Gehälter von anderen Berufsgruppen (z. B. Pflegende, Verwaltungspersonal oder technischer Dienst) gesenkt werden? Sollen nur noch ausländische Ärzte eingestellt werden, die mit einem niedrigeren Gehalt voll zufrieden sind?
Die Krankenhäuser müssen ja aufgrund der Umstellung der Organisationsstrukturen auf das neue Arbeitszeitgesetzt ja auch noch zusätzliche Ärzte einstellen, was den Finanzbedarf enorm erhöht. So ergaben eine vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS) in Auftrag gegebene Studie des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI) und eine Erhebung der DKG einen Personalmehrbedarf im ärztlichen Dienst von bis zu 18.700 bzw. 27.000 Ärzten. Die Höhe der jährlichen Mehrkosten wurde von der Ärztegewerkschaft auf 1 Milliarde Euro, von der DKG auf 1,7 Milliarden Euro jährlich taxiert. Die deutsche Krankenhausgesellschaft geht sogar davon aus, dass eine 1:1-Umsetzung des Arbeitszeitgesetzes dazu führt, dass einzelne Abteilungen und Bereiche, schlimmstenfalls ganze Krankenhäuser ihren Betrieb einstellen müssen.
Ich denke, dass die Krankenhausleitung und die Ärzte bei der Neugestaltung der Arbeitszeiten an einem Strang ziehen müssen. Das Gesetz bietet immer noch genügend Gestaltungsraum, sodass übermäßige Einkommensverluste bei den Ärzten vermieden werden können. Gleichzeitig sind die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzt eine Chance für Krankenhäuser ihre Arbeitsorganisation zu verbessern. Mit der Arbeitszeit muss künftig sparsam umgegangen werden. Damit fängt man am Besten an, indem man nur dann arbeitet, wenn auch tatsächlich Arbeit da ist.
