Demenzkranke brauchen neue Wohnformen und Pflegekonzepte, die die spezifischen Bedürfnisse der Betroffenen und deren Angehöriger stärker berücksichtigen – das ist eine wesentliche Forderung des Ersten Norddeutschen Wohn-Pflege-Tags, der im Albertinen-Haus in Hamburg-Schnelsen stattfindet.

Der Kongress steht unter der Schirmherrschaft von Hamburgs Zweiter Bürgermeisterin und Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram. Über 200 Praktiker aus stationären und ambulanten Einrichtungen, Angehörige sowie Vertreter aus Behörden und Wohnungsbau aus ganz Norddeutschland sind gekommen, um sich über neue Konzepte des Wohnens und Pflegens von Demenzkranken zu informieren. Dabei handelt es sich insbesondere um ambulante oder heimgebundene Wohngemeinschaften, die möglichst in die Stadtviertel integriert sind. Die dort lebenden Menschen werden in besonderer Weise begleitet und leben – je nach ihren Möglichkeiten – in einem Wohngemeinschaftsalltag. Derzeit gibt es in Hamburg fünf solcher ambulant betreuter Wohnprojekte, während es in Berlin bereits 200 sind. Im Max Herz-Haus, einem Modellprojekt zum Wohnen und Betreuen von Demenzkranken und deren Angehörigen im Albertinen-Haus, sind die Strukturen einer Wohngemeinschaft auch auf den stationären Bereich übertragen worden.

Schätzungen zufolge leben in Deutschland derzeit über eine Million Menschen mit altersbedingten Hirnleistungsstörungen. Etwa 8 bis 13 Prozent aller Menschen über 65 Jahren leiden unter einer Demenz, bei den über 90jährigen sind es sogar 40 Prozent. Angesichts der demographischen Entwicklung prognostizieren Experten eine Verdopplung der Demenzkranken bis zum Jahr 2030.

Der Erste Norddeutsche Wohn-Pflege-Tag wird ausgerichtet von der Albertinen-Akademie sowie der Hamburger Koordinationsstelle für Wohn-Pflege-Gemeinschaften in Kooperation mit der Koordinationsstelle für innovative Wohn- und Pflegeformen im Alter in Schleswig-Holstein (KIWA). Ebenfalls beteiligt sind die Behörde für Soziales, Familie, Gesundheit und Verbraucherschutz (BSG) der Freien und Hansestadt Hamburg sowie das Ministerium für Soziales, Gesundheit, Familie Jugend und Senioren des Landes Schleswig-Holstein.

Hamburgs Zweite Bürgermeisterin und Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram: „Für pflegebedürftige, an Demenz erkrankte Menschen ist die Versorgung zuhause trotz liebevoller Angehöriger auf Dauer oftmals nicht zu bewerkstelligen. Hamburg unterstützt deswegen einerseits die Gründung von ambulanten Wohngemeinschaften. Hier können pflegebedürftige Menschen bei guter Betreuung und Pflege dennoch in privater Atmosphäre wohnen und am Alltagsgeschehen teilhaben. Andererseits begrüßt Hamburg die Entwicklung von ähnlich strukturierten Wohnformen in stationären Einrichtungen als Alternative zum traditionellen Pflegeheim.“

Prof. Dr. Klaus Dörner: „Der gesamtgesellschaftliche Hilfebedarf wird aufgrund der demografischen Entwicklung in naher Zukunft so immens sein wie nie zuvor in der Menschheitsgeschichte. Die bisherigen sozialen Hilfssysteme sind auf diese Entwicklung nicht ausgerichtet. Deshalb muss einerseits neben dem privaten und öffentlichen Sozialgefüge ein dritter, stadtviertelbezogener Sozialraum geschaffen werden. Zudem brauchen wir neue Hilfssysteme mit einem ‚Bürger-Profi-Mix’, in denen die Profis die Bürger ergänzen.“

Harald Reinhard, Leiter des Max Herz-Hauses: „Wir brauchen Angebote, die sich am Bedarf der Betroffenen orientieren. Deshalb müssen in den stationären Einrichtungen Wohngemeinschaften entstehen, die diesen Namen verdienen und die in familienähnlicher Form und unabhängig von der sonstigen Heimstruktur arbeiten können. Vor allem in der Betreuung demenziell Erkrankter müssen sich die Einrichtungen vom traditionellen Pflegeheimbetrieb verabschieden: Der bisher dominierende pflegerische Rund-um-Versorgungsanspruch der Pflegenden sollte einem mehr selbstständigen, von dieser Dominanz unabhängigen Versorgungsangebot Platz machen, in welchem die Betroffenen in weitgehender Selbstbestimmung ihren Hilfebedarf artikulieren und ihrem tatsächlichen Bedarf entsprechend abfordern.“

Josef Bura, Hamburger Koordinationsstelle für Wohn-Pflege-Gemeinschaften: "Mit diesem Kongress will die ‚Hamburger Koordinationsstelle für Wohn-Pflege-Gemeinschaften’ zusammen mit der Albertinen-Akademie innovative Angebote für Pflegebedürftige insbesondere für Menschen mit Demenz innerhalb und außerhalb von Heimen fördern. Diese neuen Ansätze bestehen aus kleinen in die Wohngebiete integrierten Haushaltsgemeinschaften. Sie zeichnen sich aus durch einen Verantwortungszugewinn der Pflegebedürftigen bzw. ihrer Angehörigen und setzen auf eine Beteiligung der demenziell erkrankten Menschen an ihrem Alltag, solange es geht - bei hoher Pflegequalität".

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