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foto: photocase.comIn eine aufwändige Studie werden viele Tausend Patienten eingeschlossen, unzählige Arbeitsstunden werden auf Entwicklung und Test des Wirkstoffs verwendet, um ihn zur Zulassung zu bringen – und dann ergibt eine behördliche Inspektion Fehler, welche die Validität der Daten in Frage stellt. Die gesamte Studie wird nicht anerkannt. Ein worst case-Szenario, doch kritische Mängel bei klinischen Studien treten immer wieder auf.

Im Rahmen der Qualitätskontrolle und Qualitätssicherung werden daher klinische Studien von Auftraggebern und Clinical Research Organisations (CROs) in allen Phasen und Bereichen intensiven Kontrollen unterzogen. Letztlich entscheidet erst das Ergebnis der Inspektion über die Akzeptanz der Studiendaten und damit unter Umständen auch über die Zulassung eines neuen Medikaments. Dabei beanstandete „critical findings“ können schwerwiegende finanzielle und rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Erfahrene Klinische Monitore (CRAs) helfen Prüfzentren, Probleme früh genug zu erkennen und durch geeignete Maßnahmen zu lösen.

Aufgrund der Vielzahl an Studien und ihres oft großen Umfangs können die Behörden meist nur selektiv einzelne Stationen oder Teilbereiche inspizieren. Die komplette Überprüfung einer Studie wäre aufgrund des immensen Aufwands nicht machbar. „Die Inspektoren gehen dabei vom Prinzip her ähnlich wie die Polizei vor, wenn sie Radarfallen aufstellt“, so Dr. Michael Sigmund, Geschäftsführer der SSS International Clinical Research GmbH, eines Auftragsforschungsinstituts aus Germering bei München. „Neben routinemäßigen Kontrollen werden Stichproben verstärkt dort gemacht, wo man erfahrungsgemäß Verstöße beziehungsweise Mängel erwarten würde.“

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Dabei kann es alle Beteiligten treffen: Im Prüfzentrum einer klinischen Studie – zum Beispiel einem Krankenhaus – können Patientenakten, Studiendokumentation, Personal und Räumlichkeiten kontrolliert werden. Auch der Sponsor der Studie und die CRO, die den ganzen Studienablauf organisiert und betreut, müssen mit Inspektionen rechnen. Ein besonderes Augenmerk legen die Behörden dabei auf Prüfzentren, die auffällig viele Studien durchführen. Denn laut Sigmund besteht bei hoher Arbeitsbelastung immer die Gefahr, dass keine ausreichenden Kapazitäten vorhanden sind und die Arbeit nicht ordnungsgemäß bewältigt werden kann. Auch ethisch konfliktgeladene Studien, bei denen ein besonderer Schutz der Patienten von Nöten ist, wie beispielsweise Studien mit Kindern, Intensivpatienten oder Personen, die zum Zeitpunkt des Studienbeginns nicht einwilligungsfähig sind, da sie etwa an einer Demenz leiden, werden überdurchschnittlich häufig begutachtet.

Einheitliche Qualitätssicherung durch Festlegung EU-weiter Standards für Inspektionen

Ziel der behördlichen Inspektionen ist die Wahrung der guten klinischen Praxis, kurz GCP (Good Clinical Practice). Nach den USA, die schon 1977 formale GCP-Regeln festgelegt hatten, gab es 1991 eine erste EG-Richtlinie dazu, die in der Praxis auch Beachtung fand. „Der Ablauf von GCP-Inspektionen ist im europäischen Wirtschaftsraum zwischen den Mitgliedsstaaten inzwischen harmonisiert“, berichtet Dr. Bärbel Witte, zuständig für klinische Prüfungen am Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Bonn. „Außerdem wird innerhalb der EU eine Standardisierung der Inspektoren im Hinblick auf Qualifikation, Training und Expertise angestrebt. Zu diesem Zweck finden regelmäßig Treffen der Inspectors Working Group und Trainings der GCP-Inspektoren aller Mitgliedsstaaten statt.“ Nach einer Vielzahl von EU-Einzelvorschriften wurde 2004 in Deutschland die Richtlinie 2001/20/EG über die Anwendung der guten klinischen Praxis durch das zwölfte Änderungsgesetz zum Arzneimittelgesetz sowie durch die GCP-Verordnung in bindendes nationales Recht umgesetzt. Damit ist GCP heute weit mehr als nur eine empfehlende Leitlinie: Sie bildet die Gesetzesgrundlage für den Inspektor.

Frühzeitige Erkennung von Mängeln

„Die häufigsten Mängel bei klinischen Studien, die im Rahmen von zentralen Zulassungsinspektionen festgestellt wurden, sind in den ‚essential documents’ und im Umgang mit der Prüfmedikation zu beanstanden“, so Witte von der Bundesoberbehörde in Bonn. Neben der Kontrolle der Studiendokumentation und dem sachgemäßen Umgang mit den Medikamenten sind auch die Überprüfung der Patienteneinwilligungen sowie der Quelldatenvergleich Untersuchungsgegenstand. Werden bei einer Studie vermehrt Mängel festgestellt, so wird diese als „kritisch“ eingestuft.


Bei gravierenden Beanstandungen – beispielsweise bei Verletzung des Patientenschutzes oder Bedenken bezüglich der Datenvalidität – kann dies zu einer zeitweiligen oder dauerhaften Schließung des Prüfzentrums führen, was erhebliche finanzielle und unter Umständen auch rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann. „Schlimmstenfalls schaltet der Inspektor den Staatsanwalt ein“, weiß Sigmund. „Je nach Sachlage wird dann der Arzt, der die Verantwortung im Prüfzentrum trägt, zur Rechenschaft gezogen, oder  – bei übergeordneten Angelegenheiten – auch der Sponsor der Studie, meist ein Pharmaunternehmen.“

Da der Umfang der Inspektion auch von der vorgefundenen Sachlage abhängt, erspart sich ein Prüfzentrum unnötigen Ärger, Kosten und Aufwand hinterher, wenn es vorab schon andere Instrumente der Qualitätskontrolle nutzt. Dies hat auch deshalb eine Relevanz, da die anfallenden Gebühren jeweils vom Inspizierten zu entrichten sind. Sigmund ist seit zwanzig Jahren in der klinischen Forschung tätig und kennt die häufigsten Fehlerquellen: „Ein Patient muss zum Beispiel bei seiner Einwilligung zur Studienteilnahme selber handschriftlich das Datum hinschreiben. Wird stattdessen ein Datumsstempel verwendet, ist die Einverständniserklärung nicht ordnungsgemäß.“

Solche und andere Ungenauigkeiten sind Sigmunds Erfahrung nach auf die unterschiedlichsten Ursachen zurückzuführen: „Das Training für Prüfzentren und Mitarbeiter ist an sich sehr gut, aber bei der großen Anzahl der beteiligten Personen kann man mangelndes Know-How oder Schlamperei bei einzelnen trotzdem nicht komplett ausschließen.“ Er gibt außerdem zu bedenken, dass es bei großen Studien mit hohem organisatorischen und bürokratischen Aufwand oft zu lange dauert, bis die finanziellen Mittel an der richtigen Stelle – nämlich bei der Manpower – angekommen sind. Oder dass das Geld gar ganz falsch verteilt wird, zu wenige Mitarbeiter verfügbar sind und Fehler aufgrund von Überarbeitung entstehen.

Aufklärungsarbeit und Präventionsmaßnahmen vor Ort

Sigmund sieht die Hauptaufgabe der CROs deshalb darin, nicht nur alle Probleme während einer klinischen Studie zu erkennen, sondern diese zusammen mit dem Prüfarzt und den betroffenen Abteilungen mit Hilfe von Aktionsplänen auch in Taten umzuwandeln. Aus diesem Grund sind ihre Klinischen Monitore auch regelmäßig alle vier bis sechs Wochen vor Ort, kontrollieren sämtliche Abläufe der Studie, führen bei Bedarf erneute Schulungen durch oder melden gravierende Beanstandungen sofort an den Sponsor, der dann weitergehende Maßnahmen einleitet und durchsetzt.


„Wenn wir beispielsweise den Fall einer nicht ordnungsgemäß eingeholten Einverständniserklärung entdecken, kann der entsprechende Patient nochmals gebeten werden, das Datum nachträglich zu verifizieren. Damit ist der Mangel zwar adäquat behoben, er ist jedoch bei einer behördlichen Inspektion trotzdem noch als ‚finding’ einzustufen“, so Sigmund. Bei der Komplexität vieler Studien könne eine völlige Fehlerfreiheit gar nicht erwartet werden. „Ein erfahrener GCP-Inspektor wird von kleineren Fehlern nicht überrascht sein. Wichtig ist, dass keine critical findings, keine groben Verstöße vorhanden sind, die eine ganze Studie wertlos machen können. Zudem sollte im Verlauf der Studienarbeit ein Prozess erkennbar sein, wie intern gefundene Mängel behoben und kontinuierliche Verbesserungen in der Qualität erzielt werden.“

Die SSS International Clinical Research GmbH besteht seit 1993. Ursprünglich in der Qualitätssicherung der klinischen Forschung tätig, übernimmt SSS heute hauptsächlich Full-Service Aufträge für klinische Studien. SSS betreut Projekte der Phasen II bis IV sowie PASS Studien. Die Schwerpunkte der CRO liegen vor allem in den Indikationen Onkologie, Herz-Kreislauf Erkrankungen, Pulmologie, Endokrinologie und Nephrologie. Hauptsitz des Unternehmens ist Germering bei München, Filialen gibt es in Polen und Rumänien. Die Märkte Italien, England, Österreich, Schweiz, Rumänien und Polen werden von 40 Mitarbeitern betreut. Mit Unterstützung lokaler Subunternehmen agiert SSS europaweit. Durch die langjährige Erfahrung als CRO kann SSS auf ein großes Netzwerk an klinischen Prüfzentren zurückgreifen.

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