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Seit einigen Monaten sind Headhunter verstärkt in der Branche der klinischen Forschung aktiv und werben bevorzugt erfahrene Klinische Monitore (CRAs) ab. Gerade bei Auftragsforschungs-instituten (CROs) verursacht der Verlust erfahrener Mitarbeiter erhebliche Kosten bei Personalsuche und Mitarbeitereinarbeitung. Betroffene Unternehmen begegnen dem Problem oft,  indem sie selbst Headhunter engagieren, um an das dringend benötigte Personal zu kommen. So wird ein Teufelskreis fortgeführt, an dessen Ende weder die CROs noch die Klinischen Monitore profitieren, sondern einzig und allein die Personalberater.

Die Arbeit der meist hochqualifizierten Klinischen Monitore ist sehr anspruchsvoll, erfahrene CRAs sind daher in der Branche ebenso begehrt wie rar – zumal der Beruf sehr stressig und mit intensiver Reisetätigkeit verbunden ist. Gleichzeitig gibt es immer weniger Nachwuchs, da viele Pharmaunternehmen mittlerweile nur noch CRAs mit mindestens zweijähriger Berufserfahrung für ihre Studien akzeptieren. Für CROs wird es daher immer unattraktiver, neue Mitarbeiter einzustellen, die erst noch eingearbeitet werden müssen. Angesichts dieser Tatsachen gehen immer mehr Forschungsinstitute dazu über, verstärkt Personalberater zu engagieren, um ihre Human-Resources-Probleme zu lösen. Doch die Praktiken vieler Headhunter, die hier einen lohnenden Markt wittern, erweisen sich als zunehmend problematisch.  
Dreiste Abwerbungs-Praktiken bei vielen Headhuntern

Dies fängt schon bei der Kontaktaufnahme an, die oft direkt am aktuellen Arbeitsplatz erfolgt. In vielen CROs vergeht kaum ein Tag, an dem kein Headhunter anruft. Nicht wenige machen dabei falsche Angaben: Sie stellen sich etwa als Journalisten vor, die wegen eines Experteninterviews anfragen. Mit derartigen Taktiken gelingt es, an die Namen bestimmter Mitarbeiter zu kommen. „Die Leute gehen ziemlich aggressiv vor und lassen sich kaum abwimmeln“, erzählt Martin Krauss, Geschäftsführer der FGK Clinical Research GmbH in München, einer Mitgliedsfirma des Bundesverbands Medizinischer Auftragsinstitute e. V. (BVMA). Manche Anrufer sind besonders dreist. „Wir haben schon Sprüche wie: ‚Arbeiten Sie doch mit uns zusammen, dann werben wir bei Ihnen keine Mitarbeiter ab’ gehört.“

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Hat der Headhunter den gewünschten Namen erfahren, versucht er im nächsten Schritt den entsprechenden Mitarbeiter als Kandidaten anzuwerben. „Unsere Angestellten berichten, dass sie penetrant von Headhuntern belästigt werden“, bestätigt auch Dr. Michael Sigmund, Geschäftsführer von SSS International Clinical Research. Die Dunkelziffer der Kontakte insgesamt ist sehr hoch anzusetzen, da nicht bei jedem Mitarbeiter bekannt wird, dass sich ein Headhunter gemeldet hat. Die Aktivitäten haben sich zu großen Teilen auch in den Social-Media-Bereich verlagert, zu Plattformen wie Xing oder LinkedIn. Selbst bei zufriedenen, wechselunwilligen Mitarbeitern bleiben die Personalberater hartnäckig – so lange, bis es ihnen gelungen sei, Bedürfnisse zu generieren, die vorher nicht vorhanden waren, weiß Sigmund aus Erfahrung. „Wenn lange genug geschmeichelt wird, lässt sich doch der eine oder andere Mitarbeiter dazu überreden, sich die Vorschläge der Headhunter zumindest anzuhören“, so der Geschäftsführer von SSS. „Das ist nur verständlich. Es liegt in der menschlichen Natur, das Gras auf der anderen Seite des Hügels für grüner zu halten.“

Künstlich erhöhte Fluktuationsrate als Konsequenz

Der Mangel an erfahrenen CRAs in der Branche und die Überredungskünste der Personalberater haben bei vielen Unternehmen zu einer Zunahme an Mitarbeiterwechseln geführt. „Für CROs ist schon eine geringe Fluktuationssteigerung problematisch. Jeder einzelne Angestellte ist für uns wichtig“, betont Sigmund. Die vermehrte Abwerbung von Mitarbeitern durch Headhunter führt dazu, dass interne Ressourcen belastet werden. Der Auswahlprozess und die Einarbeitung der neuen Mitarbeiter kosten Zeit und erhöhen den Stressfaktor zusätzlich. Die Personalplanung, die in der Klinischen Forschung sowieso schon schwierig ist, wird so zu einem Dauerproblem. Ganz zu schweigen von der finanziellen Seite: „Wird ein erfahrener CRA abgeworben, übersteigen die Kosten allein für die Einarbeitung eines neuen Mitarbeiters leicht das Honorar eines Headhunters“, so Sigmund.


Die Gewährleistung eines konstant hohen Forschungsniveaus und somit ihr guter Ruf ist für Auftragsforschungsinstitute jedoch erfolgsentscheidend. Wenn die auftraggebenden Biotech- und Pharmaunternehmen auch nur den Eindruck erhalten, dass aufgrund der Fluktuation die Qualität ihrer Studien leiden könnte, geraten die Institute in eine prekäre Lage: „Die Akzeptanz eines CRO in der Branche steht und fällt mit dem Kosten-Leistungsverhältnis“, erklärt Krauss von FGK. Unzufriedenheit bei den Auftraggebern wirke sich entsprechend negativ aus: „Wenn es zu Reibungs-, Zeit- und Qualitätsverlusten kommt, weil Mitarbeiter fehlen und erst wieder gesucht und eingeführt werden müssen, dann schädigt das langfristig unser Verhältnis zum Kunden“, so Krauss. Manche betroffene CROs greifen in dieser Situation selbst auf Headhunter zurück. Zu deren Zielen zählen dann auch die zuvor abwerbenden Unternehmen – und das Spiel beginnt von neuem.

Reduktion des ohnehin knappen Personal-Pools

Da die Branche vielen Headhuntern offensichtlich lohnend erscheint, werden die Mitarbeiter von CROs zunehmend auch ohne Auftrag einer bestimmten Firma angesprochen. Damit werden zunächst nur wechselwillige Kandidaten für die Datenbank akquiriert. Im nächsten Schritt geht eine Rundmail mit den Lebensläufen an eine ganze Reihe potenzieller neuer Arbeitgeber: „Der Lebenslauf wird häufig an 10 bis 20 Unternehmen geschickt, in der Hoffnung, dass irgendwer schon anbeißen wird“, beschreibt Sigmund das Vorgehen. Meistens handle es sich auch noch um tabellarische Kurzlebensläufe, die von schlechter Qualität seien. „Außerdem wird von den Beratern keine Vorauswahl getroffen und es wird versucht, auch weniger qualifizierte Leute dazwischen zu schieben.“ In der Branche werden dagegen Initiativbewerbungen von guter Qualität nach wie vor deutlich bevorzugt.


Die breit gestreuten Lebensläufe können für die Bewerber später sogar zum Nachteil werden: Lassen sich CRAs von Headhuntern ihre Daten abschwatzen und bewerben sich später initiativ bei einem Unternehmen, das der Headhunter für sie zuvor kontaktiert hatte, stehen die Erfolgschancen schlecht. Dies gilt auch, wenn der Lebenslauf anonymisiert war, denn die Branche ist überschaubar und die Kandidaten sind anhand ihrer Qualifikationen relativ einfach zu identifizieren. „Wegen der Knappheit bei qualifiziertem Personal gibt es aus unserer Sicht keinen Grund, warum erfahrene und qualifizierte Bewerber sich überhaupt zuerst an Headhunter wenden sollten“, so Sigmund. Als CRA könne man seine Karriere nur im Ausnahmefall mittels Headhunter beschleunigen. Auch Krauss bestätigt das: „Für uns ist ein Rückgriff auf Personalberater im Grunde nur bei Führungsposten nachvollziehbar.“

Somit schließen sich Klinische Monitore über Headhunter-Bewerbungen bei vielen suchenden Unternehmen zunehmend selbst als ernstzunehmende Kandidaten aus. Der Personal-Pool, aus dem die Unternehmen auswählen können, wird dadurch künstlich weiter ausgedünnt. Das eigentliche Problem der Branche, der Mangel an erfahrenem Personal, wird damit nicht gelöst.

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